Karl May An mein liebes Schlesien

Karl May

An mein liebes Schlesien

 

Ich kam zu Dir im Kampfe mit dem Tod.

Der meine Zeit nur noch nach Tagen zählte.

Und Du, Du reichtest mir in meiner Not

Den Wundertrank, der mich von Neuem stählte.

 

So nahen jährlich Tausende sich Dir,

Daß ihnen Hülfe und Genesung werde,

Und Jedem, Jedem fließt genau wie mir

Die Rettung aus den Tiefen Deiner Erde.

 

Ich kam zu Dir, ein kranker, schwacher Mann,

Der Athem ging mir aus vor jedem Zwerge.

Doch jetzt, da ich nun wieder steigen kann,

Besteige ich schon Deine höchsten Berge.

 

Oft leuchten sie in goldner Abendglut,

Wie Riesenstrophen heil’ger Schöpfungslieder;

Dann fühl auch ich, daß Gott noch Wunder tut,

Und falle im Gebete vor ihm nieder.

Ich kam zu Dir als kalter Kartograph,

Der Dich zwar wohl, doch nur aus Büchern, kannte,

Doch als ich hier auf Deine Seele traf,

Erschien sie mir als schwesterlich Verwandte.

 

Nun bin ich Dir so recht von Herzen gut

Und Deinem Volk nicht länger fremd geblieben.

Durch seine Adern rollt dasselbe Blut,

Und gleiches Blut, das muß und muß sich lieben.

 

Ich kam zu Dir; nun muß ich wieder fort,

Und doch geht Dir kein Hauch von mir verloren.

Ich bin ja Dein; das ist mein Abschiedswort,

Denn Du hast mich zum Leben neu geboren.

 

Ich trank an deiner Quelle mich gesund

Und laß mich hygienisch bei ihr nieder.

Und treibt der Tod es abermals zu bunt,

So weiß ich, was ich tu: Ich komme wieder!

 

Bad Salzbrunn, 30. Juni 1907.